Mut zur Muße

Lange Zeit galten Erkrankungen der Psyche als Tabu, als persönliches Versagen. Während wir mit einem gebrochenen Arm wie selbstverständlich einen Arzt aufsuchen, versuchen wir unser seelisches Gleichgewicht allein wieder herzustellen. Das funktioniert allerdings nur mäßig.

Fokus Darm-Gesundheit

Ständig haben wir zu wenig davon und das ungute Gefühl, ihr immer einen Schritt hinterherzuhinken – der Zeit, was grotesk ist, weil technische Hilfsmittel und wachsende Mobilität eigentlich genau das Gegenteil bewirken müssten. Dennoch haben wir Stress. Vielfach steht die Arbeit über allem, ist für so manchen zum (einzigen) Lebensinhalt geworden. Viele Termine zu haben, gibt uns das Gefühl, gebraucht zu werden, wichtig zu sein. Permanentes Beschäftigtsein ist ein Indikator für Erfolg, Überlastung eine Sache des Prestiges, Burn-out salonfähig geworden. Und es ist nur die logische Konsequenz daraus, dass man sein Dasein zu einseitig gestaltet. Burn-out kommt nicht von zu viel Arbeit, es kommt von zu wenig Leben.

Objektiv betrachtet ging es uns noch nie so gut wie heute. Die Lebenserwartung steigt ebenso wie der Lebensstandard, dennoch nehmen psychische Erkrankungen zu. Die Coronapandemie hat diesen Trend verstärkt, weil viele mit dem Zurückgeworfen-Sein auf sich selbst schwer umgehen können. Zudem ist die Reizschwelle über die vergangenen Monate gesunken, das Gefühl der Ohnmacht den äußeren Umständen gegenüber hat so manchen zusätzlich aus der Bahn geworfen. Haben wir verlernt, uns selbst genug zu sein? Ja, glaubt Dr. Peter Gartner, Chefarzt im Park Igls: „Ich muss meinen Gästen während der Kur das Nichtstun oft explizit verordnen.“ Dabei tut Langeweile zwischendurch tatsächlich gut, Körper und Geist. Lachen übrigens auch.

Zur Überforderung verführt

Dennoch: Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Schon in der Kindheit werden wir auf Leistung getrimmt, und so werden in der Folge auch im Erwachsenenalter die echten inneren Ziele oftmals durch extrinsische Statusziele ersetzt. Jeden Tag haben wir unzählige Entscheidungen zu treffen, und sei es nur bei der Wahl des Joghurts im Supermarktregal. Die permanente Erreichbarkeit durch Smartphones, Laptops und Tablets, die überbordende Notwendigkeit der Datenverarbeitung, der Druck, im Beruf funktionieren zu müssen, und die ständige Verfügbarkeit von Informationen verführen regelrecht zur Überforderung.

Vom Einzug der Bakterien in den Darm

Lange Zeit galten Erkrankungen der Psyche als Tabu, als persönliches Versagen. Während wir mit einem gebrochenen Arm wie selbstverständlich einen Arzt aufsuchen, versuchen wir unser seelisches Gleichgewicht allein wieder herzustellen. Das funktioniert allerdings nur mäßig. Mit dem Aufkommen des Begriffs Burn-out hat sich das verändert: Wer ausbrennt, muss vorher für etwas gebrannt, also fleißig, produktiv und hingebungsvoll an einer Sache gearbeitet haben. Ein Burn-out ist trotzdem nicht chic, hat es aber deutlich erleichtert, psychische Probleme anzusprechen und darüber zu reden. Ungeachtet dessen ist der Leidensdruck bei vielen schon sehr hoch, wenn sie sich dazu entschließen, professionelle Hilfe anzunehmen.

Im Gesundheitszentrum Park Igls steht – dem Namen folgend – die Gesundheit im Zentrum, körperlich wie psychisch. Der Fokus liegt auf gesunder Ernährung, bewusster Bewegung und tiefgreifender Regeneration, vereint mit der traditionellen Frühdiagnostik nach F. X. Mayr und modernsten schulmedizinischen Methoden.

Thomas Blasbichler

Die Moderne Mayr-Medizin

Die Moderne Mayr-Medizin reinigt Körper und Geist und stärkt das Immunsystem. In Kombination mit gezielten und bewussten An- und Entspannungsphasen sowie verschiedenen Therapieangeboten und speziellen Programmen geht es darum, sein (seelisches) Gleichgewicht wiederzufinden. „De-Stress“ etwa ist ein explizites Prophylaxeprogramm zur Vorbeugung von Burn-out. Mit entsprechenden Coachings, Bewegungs- und Entspannungsübungen sowie abgestimmten Behandlungsformen wie Cranio-Sacral-Therapien, Wärmepackungen und Massagen lösen sich Blockaden und die Regeneration wird gefördert.

Doch auch während einer klassischen F. X. Mayr-Kur entscheiden sich Menschen immer öfter auch für ein Gespräch mit einem Psychologen, beobachtet Mag. Thomas Blasbichler. „Im Rahmen einer Kur kann die Hemmschwelle durchaus sinken. ‚Wenn man schon mal da ist‘, kann man sich neben dem Wirken am Körper auch gleich in die Seele blicken lassen“, so Mag. Blasbichler, Psychologe im Park Igls. „Vielfach passiert das quasi automatisch, weil sich in der Regel meist erst der Körper meldet, bevor es die Psyche tut: mit Schlaf- und Verdauungsstörungen zum Beispiel, Kreislaufproblemen oder Kurzatmigkeit.“

Stress, lass nach

Bei Stress kommt es unter anderem zu einer vermehrten Ausschüttung der Signalsubstanz Interleukin 6, die zu Entzündungen oder einem Anstieg des Blutzuckerspiegels führen, über einen längeren Zeitraum Diabetes und durch die vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol Übergewicht begünstigen kann. Eine erhöhte Adrenalinproduktion versetzt den Körper zudem in ständige Alarmbereitschaft. Diese äußert sich beispielsweise in einer gesteigerten Herzfrequenz, erweiterten Atemwegen, erhöhtem Blutdruck und gehemmter Verdauung. Das hat in Gefahrensituationen kurzfristig durchaus Sinn, auf Dauer stiftet es jedoch mehr Schaden als Nutzen.

Die Ursachen für körperliche Beschwerden liegen also oft in der Psyche. Sich regelmäßig Auszeiten zu gönnen, sich bewusst aus dem Alltag zu nehmen, über Ernährungsgewohnheiten nachzudenken, sich zu bewegen – am besten an der frischen Luft – und vor allem ausreichend zu schlafen, tut nicht nur dem Körper gut, sondern auch dem Geist. Und weil man im Rahmen einer Kur generell etwas dünnhäutiger ist, fällt der Blick ins eigene Seelenleben in dieser Umgebung oft leichter als außerhalb. Wir haben Mag. Thomas Blasbichler ein paar Fragen gestellt.

Mag. Thomas Blasbichler: Unter Burn-out verstehen wir einen tiefen psychischen und körperlichen Erschöpfungszustand, der auf eine Überforderung im beruflichen Kontext zurückgeführt werden kann. Auch wenn heutzutage Burn-out zur Modediagnose geworden ist, wird es im internationalen Klassifikationssystem medizinischer Diagnosen (ICD-11) nicht als eigenständiger Krankheitsbegriff geführt. Hier wird Burn-out als Berufsphänomen definiert, das mit Umgebungsbedingungen wie fehlende Ressourcen bei überhöhter Arbeitsbelastung zusammenhängt. In weiterer Folge kann sich daraus jedoch zum Beispiel eine Depression oder eine Angststörung entwickeln. Burn-out wird als Prozess beschrieben, der in unterschiedlichen Phasen verläuft. Anfänglich wird mit übersteigertem Ehrgeiz und ungeachtet der eigenen und betrieblichen Ressourcen, Idealismus und unter Vernachlässigung persönlicher Bedürfnisse versucht, gesteckte Ziele zu erreichen. Auftretende Konflikte und die Missachtung persönlicher Bedürfnisse werden verdrängt und geleugnet. Betroffene sind nicht mehr in der Lage, sich zu erholen, sind frustriert und „stumpfen“ sozusagen ab. Die Leistungsbereitschaft ändert sich und die Motivation kippt in eine Anspruchshaltung, reduziertes Engagement, Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungseinbußen, Zynismus oder negative Arbeitseinstellung.

Darauf folgen emotionale Reaktionen, die unterschiedlich auftreten können: Pessimismus, Gefühle von Hilfs- und Hoffnungslosigkeit, Selbstwertproblematiken oder Gefühle von innerer Leere auf der einen Seite oder Aggressivität gegenüber der Umwelt auf der anderen Seite, die sich in Launenhaftigkeit, Reizbarkeit, Ungeduld oder Zorn äußern. Ein Teufelskreis beginnt und es kommt zu kognitiven Leistungseinbußen, die wiederum die emotionale Belastung verstärken. Sozialer Rückzug sowie körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme oder erhöhter Blutdruck können die Folge sein. Demgegenüber steht das Bore-out, ein Zustand, bei dem sich Menschen chronisch so sehr langweilen oder unterfordert sind, dass sie dadurch enormen Stress erleben. Die Belastung aufgrund von dauerhafter Unterforderung und erlebter Sinnlosigkeit führt zu ähnlichen Symptomen wie beim Burn-out: Erschöpfung, Unzufriedenheit, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit oder körperlichen Beschwerden. Ein optimales Aktivierungslevel von Anforderung und Leistungsfähigkeit im beruflichen Kontext, das Erleben von Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit kann folglich der Entwicklung ernstzunehmender Beschwerden vorbeugen.

Die Inanspruchnahme professioneller Hilfe wie etwa psychologische Behandlung oder Psychotherapie wird bei Belastungen im persönlichen und beruflichen Bereich empfohlen, die unsere Lebensqualität über einen längeren Zeitraum nachhaltig beeinflussen. Mit Maßnahmen zur Gesundheitsförderung wie dem Aufbau von Strategien im Umgang mit Stress, Erlernen von Entspannungsübungen, Genusstraining oder Bewusstsein und Erfüllung eigener Bedürfnisse, Werte, Grenzen und Ressourcen kann unsere Gesundheit aufrechterhalten werden.

Die Entstehung stressbedingter Erkrankungen ist multikausal. Wir gehen von einem biopsychosozialen Modell aus und begründen die Entstehung einer Erkrankung durch das Zusammenspiel von Körper, Psyche, sozialen und Umweltfaktoren. Überhöhte Anforderungen an sich selbst, irrationale Einstellungen („ich darf keine Fehler machen“, „ich darf mir keine Pausen gönnen“), dysfunktionale Glaubenssätze („ich bin ein Versager“), negative Lern- und Beziehungserfahrungen können dazu beitragen, dass stressbedingte Umweltanforderungen nicht mehr erfüllt werden können. Es kommt zum Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und Ressourcen und mündet folglich in einen Teufelskreis.

Psychische Probleme können in jedem Lebensalter auftreten. Abhängig von den jeweiligen Anforderungen, Kontextbedingungen und Belastungen äußern sie sich unterschiedlich. Die häufigsten psychischen Erkrankungen sind Depressionen, Angsterkrankungen, Schmerzstörungen sowie Suchterkrankungen. Studien zufolge leidet jeder dritte bis vierte Erwachsene irgendwann in seinem Leben an einer psychischen Erkrankung. Psychische Erkrankungen werden häufiger bei jungen Erwachsenen (bis Mitte 30) diagnostiziert, im Alter nehmen neurologische Erkrankungen wie Demenzen rapide zu.

Insgesamt zeigen Studien eine höhere Rate psychischer Erkrankungen bei Frauen. Während Frauen häufiger unter Depressionen, Angsterkrankungen und körperlichen Beschwerden aufgrund psychischer Belastungen leiden, kommt bei Männern häufiger Substanzmissbrauch und -abhängigkeit vor. Frauen nehmen Signale ihres Körpers sensibler wahr, während Männer oft „drüber fahren“, wo auch Glaubensätze wie „ein Mann kennt keinen Schmerz“ oder „ein Mann hat keine Angst“ eine große Rolle spielen. Das Hinauszögern von psychischen oder auch psychosomatischen Reaktionen verstärkt den Leidensdruck jedoch nur noch mehr.

Ja, Glücklichsein kann man lernen. Wir unterscheiden dabei zwischen einem eher kurzfristigen Glück, wie das Erleben positiver Gefühle wie Freude, Vorfreude, eine tolle Begegnung, ein gutes Gespräch, dem mittelfristigen Glück wie Zufriedenheit oder Dankbarkeit und langfristigem Glück. Dazu gehören Werte wie Glaube, Optimismus, Vertrauen und auch Wohlbefinden. Das soziale Umfeld spielt beim Glück bzw. Glücklichsein eine große Rolle: gibt man sich mit Menschen, die positiv eingestellt und quasi „gut drauf sind“, wird auch das eigene Glücksempfinden gestärkt.

Umgibt man sich mit Menschen, die alles negativ sehen, pessimistisch und nur am Kritisieren und „Jammern“ sind, steckt auch das entsprechend an. Wenn man auf die Suche nach einer Definition von Glück geht, dann ist Glück die Aneinanderreihung beziehungsweise Summe von Glücksmomenten. Die Momente sind es, die uns glücklich machen. Also nehmen wir, auch wenn es nur kleine Glücksmomente sind, diese bewusst wahr und sammeln sie sorgfältig, denn man kann immer wieder darauf zurückgreifen.

Lavendel
AutorinMarina Bernardi
Chefredakteurin des Magazins „Eco.nova“